1976 drehte er mit dem Schriftsteller und Journalisten Niklaus Meienberg Die Erschiessung des Landesverräters Ernst S., der detailliert beschreibt, wie ein 23-jähriger St. Galler 1942 erschossen wurde, weil er vier Granaten und eine Panzergranate gestohlen und sie für rund 800 Schweizer Franken einem deutschen Agenten übergeben hatte – in einer Zeit, da die meisten Schweizer Industriellen vor den Augen der Regierung mit den Nazis Handel trieben.
Der Film stellte die offizielle Version der Schweizer Geschichte offen in Frage und löste bei seiner Veröffentlichung eine heftige Polemik aus, insbesondere in den Medien und im Bundesparlament. Trotz seines internationalen Erfolgs wurde dem Film die Qualitätsprämie des Bundes verweigert, und Niklaus Meienberg erhielt ein Schreibverbot für den Tages Anzeiger, für den er als Kolumnist tätig war.
Das Schicksal von Richard Dindo war vorgezeichnet. Er würde Sand im Getriebe sein und es immer wieder wagen, den Finger dorthin zu legen, wo es weh tat. Dabei bewahrte er eine desillusionierte Distanz zu seinem Thema, die sowohl emotional als auch ironisch war. Dani, Michi, Renato & Max, den er 1987 drehte, ist ein aussergewöhnlicher Bericht über die polizeilichen Ausschreitungen und die Enttäuschungen, die 1980 nach den von Züri brännt – dem Zürcher 68-er-Mai – geweckten Hoffnungen folgten.
Richard Dindo liebte es, das Unsichtbare sichtbar zu machen. Mit seiner Mischung aus realen Spuren und literarischer Fiktion verlieh er dem letzten Projekt des Schauspielers und Filmemachers Max Haufler in Max Haufler, «Der Stumme» wieder Leben, Körper und Stimme (...)
Es ist offensichtlich: Das wiederkehrende Thema in all seinen Filmen ist das Gedächtnis. Und das Gedächtnis der Menschheit ist voller Lücken, die er mit einer stilistischen Relevanz füllte, die immer noch und immer wieder verstörend, ja sogar störend ist … So sehr, dass er in den letzten Jahren Mühe hatte, die Schweiz davon zu überzeugen, seine Werke zu finanzieren, obwohl er zweifellos einer der grössten Meister des zeitgenössischen Kinos war.
Auszug aus dem Nachruf von Frédéric Maire
Direktor der Cinémathèque suisse
5 Filmfakten über DIE ERSCHIESSUNG DES LANDESVERRÄTERS ERNST S.
Zwanzig untödliche Schüsse, eine verweigerte Qualitätsprämie, Nazi-Spionage und die St. Galler Villa «Wahnsinn»: 1976 wird an den Solothurner Filmtagen ein Dokumentarfilm von Richard Dindo, nach dem Buch von Niklaus Meienberg, uraufgeführt, der die Schweiz erschüttert und über Jahre beschäftigt.