Antoine Duplan über «L'invitation»

Ein schüchterner Büroangestellter kauft sich von seinem Erbe eine schöne Villa im Genfer Umland und lädt seine Ex-Kollegen zu einer Gartenparty ein. Es ist ein schöner Tag. Die Sonne scheint, auf dem makellosen Rasen macht der Sprinkler «tschik tschik». Doch alkoholbedingt lösen sich die hierarchischen Verhältnisse auf, werden die Triebe entfesselt, erweist sich die Gemeinschaft als störanfällig, kommt der Wolf unterm Schafspelz zum Vorschein… Der Luxus des Neureichen missfällt vielen Gästen, sie empfinden ihn als Affront gegen die helvetische Bescheidenheit. Mit einem grossartigen Schauspieler-Ensemble, darunter Jean-Luc Bideau als Grossmaul und François Simon als undurchsichtiger Barmann, kreiert Claude Goretta eine satirische Fabel, in der er mit Finesse den diskreten Charme des Schweizer Kleinbürgertums anprangert. 1973 auf dem Festival von Cannes mit dem Preis der Jury ausgezeichnet und vor allem  bei der Jugend ein grosser Publikumserfolg, liefert «L’invitation» eine verblüffend treffsichere Momentaufnahme der Schweiz der frühen 70er-Jahre. Und das junge Westschweizer Kino macht sich mit seinem ersten 35mm-Farbfilm einen Namen.

Tereza Fischer über «L’invitation»

Rémy Placet ist ein einfacher Büroangestellter mittleren Alters, der immer noch sehr an seiner Mutter hängt. Kurz nach ihrem Tod lädt er seine Bürokollegen und -kolleginnen zu einem Gartenfest im luxuriösen Landhaus ein, das er gegen das Haus der Mutter getauscht hat. Er stellt sogar einen Butler ein, um den grossbürgerlichen Schein zu perfektionieren... «L'invitation» ist eine Gesellschaftssatire, in der dank der Wirkung der sommerlichen Partylaune und des Alkohols Hemmungen und Masken fallen.
Der Film ist ein Musterbeispiel für Gorettas hervorragende Schauspielerführung: Da die Aufnahme des Direkttons der wilden Gruppendynamik sich als zu schwierig erwies, musste der Regisseur die ihm gleichermassen wichtigen Körper und Stimmarbeit neu orchestrieren: zwischen enger Führung während der Performance und dem Zufälligen der Dreharbeiten. In der kompletten Nachsynchronisierung spiegelt sich nochmals das Spiel mit Sein und Schein.
Goretta, der mit seinen Filmen einen wesentlichen Beitrag zum Neuen Schweizer Film geleistet hat, gelingt in «L'invitation» gleichermassen das typisch Schweizerische wie das universell Humane zu evozieren. 1973 erhielt der Film am Festival in Cannes den Spezialpreis der Jury.

Ein Büroangestellter hat frisch geerbt und schmeisst für seine Belegschaft eine Gartenparty. Die Kombination von Alkohol und Hitze lassen Frust und Neid zum Vorschein kommen, die Party läuft aus dem Ruder. Der Film über die Flucht aus dem Alltag bleibt ein gültiges, himmeltraurig komisches, scharfsinniges Psychogramm kleiner Leute. Ihnen gehört Gorettas Herz, ihrer drohenden ‹folie› im gesellschaftlich normierten Alltag hat er fein nachgespürt.